Montag, 04 April 2016 14:31

Industrie: PacTech

Spielräume trotz Langzeitbindung

19-Zoll-Systeme im Spezialmaschinenbau für die Elektronikfertigung

Im Automatisierungsumfeld und in der Anlagensteuerung gehören hochleistungsfähige 19-Zoll-Rechnersysteme zum Standard. Der Fokus liegt bei diesen Anwendungen auf Ausfallsicherheit im 24/7-Dauerbetrieb, Robustheit, Langlebigkeit, Wartungsfreiheit und Langzeitverfügbarkeit. Ebenso wichtig sind die nahtlose Einbindung in die Umgebung und die Gewährleistung reibungsloser Systemumstellungen, denn die Maschinen und Anlagen sind oft mehr als zehn Jahre im Einsatz. Die weltweit agierende PacTech – Packaging Technologies GmbH mit Stammsitz in Nauen setzt bei ihren Spezialmaschinen für den Mikroelektronikbereich seit Jahren auf die Zusammenarbeit mit der Extra Computer GmbH, einem inhabergeführten mittelständischen Unternehmen am Rande der Schwäbischen Alb.

Ob Kameramodul für Mobiltelefone, HDD-Schreibleseköpfe oder Herzschrittmacher – die Miniaturisierung des Innenlebens von elektronischen Geräten schreitet immer weiter voran. Das Unternehmen PacTech entwickelt und baut Spezialmaschinen für den globalen Markt, mit denen kleinste Halbleiter ohne Gehäuse vollautomatisch auf Platinen aufgebracht werden. Bei den komplexen laserunterstützten Hochgeschwindigkeits-Solder-Jetting-Prozessen ist äußerste Präzision gefragt: Die bis zu 40 Mikrometer kleinen Lotkugeln aus unterschiedlichen Legierungen werden innerhalb eines speziellen und patentierten Bondkopfes mit einem Laser aufgeschmolzen und in einem definierten Winkel auf ein Substrat geschossen, um somit den elektrischen Kontakt zwischen Bauteil und Substrat herzustellen.

 

Langzeitverfügbarkeit im Fokus

„Unsere Maschinen sind weltweit in einem breiten Anwendungsfeld von Consumer-Electronics über Sensortechnik bis zur Medizinelektronik im Einsatz. Sie stehen in Asien ebenso wie in Nordamerika. Seagate und Western Digital, die Weltmarktführer bei Festplatten, arbeiten ebenso damit wie alle relevanten Mobiltelefonhersteller und diverse Automobilelektronikunternehmen“, erläutert Thomas Oppert, Vice President Global Sales & Marketing bei PacTech. Seit 1995 wurden weltweit mehr als 900 Maschinen ausgeliefert. Zur Steuerung dieser Spezialmaschinen für die Hochvolumenproduktion setzt PacTech 19-Zoll-Systeme von Extra Computer ein.

Doch 19-Zoll-System ist nicht gleich 19-Zoll-System. Alexander Plöger, Produktmanager für Industriesysteme bei Extra, erläutert die Unterschiede: „Im Vordergrund stehen bei solchen Anwendungen neben der individuellen Konfiguration ganz klar Zuverlässigkeit, Langzeitverfügbarkeit, Imagestabilität, Langlebigkeit und Service.“ Extra Computer hat sich im Bereich Industriecomputer auf maßgeschneiderte Lösungen spezialisiert, die alle diese Anforderungen erfüllen – in großen wie in kleinen Losgrößen. Extra entwickelt auf der Basis von für Industrieaufgaben konzipierten Standardplattformen, passt diese aber in Hinblick auf die Leistung, die Grafik, die Schnittstellen und die Anbindung an die Umgebung exakt an die jeweiligen Anforderungen an.

Extra pflegt einen engen Kontakt mit seinen Partnern und bietet ihnen Advanced Trainings und Webinare, um Unternehmen bei solchen Sonderlösungen optimal zu beraten. Der erste konkrete Projektschritt ist bei Industriegeräten und Kamerasystemen stets die eingehende telefonische Beratung durch Extra Computer. In diesem Rahmen werden die genauen Anforderungen identifiziert, z. B. im Hinblick auf den Formfaktor bei beschränktem Einbauraum, die notwendigen Schnittstellen für die Anbindung an die vorhandene Infrastruktur oder auch auf Möglichkeiten der Nutzeridentifizierung.

Um den Kunden zukunftssichere Lösungen zu bieten, verwendet Extra ausschließlich langlebige Qualitätskomponenten, die, etwa was die Vibrationsfestigkeit oder das EMV-Verhalten angeht, den oft rauen industriellen Einsatzbedingungen dauerhaft standhalten und darüber hinaus langzeitverfügbar sind.  „Der Industrie-PC-Bereich hat aus ganz naheliegenden Gründen nicht die gleiche Schlagzahl wie der Consumer-Bereich: Die Aspekte Langzeitverfügbarkeit und hohe Imagestabilität haben aufgrund der hohen Anschaffungs-, Entwicklungs- und Implementierungskosten für die Maschinen und die langen Investitionszyklen im Maschinenbau Vorrang vor dem Einsatz der jeweils neuesten Prozessorgeneration“, erklärt Plöger. Aus diesen Gründen arbeitet das Giengener Unternehmen eng mit den Marktführern im Hard- und Softwarebereich zusammen und setzt bevorzugt auf Produktion in Deutschland, um kurze Lieferzeiten und einen schnellen Support zu gewährleisten. „Jeder Ausfall verursacht Kosten. Produzierende Unternehmen können es sich nicht leisten, wochenlang auf ein Bauteil aus Asien zu warten. Eine lückenlose Versorgung und ein schneller Service sind hier das A und O“, führt der Produktmanager aus.

In den 19-Zoll-Systemen für PacTech werden für den 24/7-Betrieb konzipierte Full-Size-ATX-Industriemainboards aus der Augsburger Produktion von Fujitsu eingesetzt. Der Hersteller garantiert bei seiner Industrial Series eine Verfügbarkeit von fünf Jahren mit Verlängerungsoption, während herkömmliche Desktop-Mainboards zwar in der Anschaffung günstiger sind, aber nach 12 bis maximal 18 Monaten vom Markt verschwinden, was Anlagenbetreiber vor größte Probleme stellt und unabsehbare Folgekosten verursacht.

 

Handlungsspielräume für Veränderungen

Ein zuverlässiges Lifecycle-Management sorgt dafür, dass die Beteiligten frühzeitg über Änderungen und Abkündigungen informiert werden und rechtzeitig neue Lösungen gefunden werden können. Durch den Verzicht auf Layoutänderungen über die Board-Generationen ist eine hohe Imagestabilität garantiert, sodass der Implementierungsaufwand bei Systemumstellungen überschaubar bleibt. Dies ermöglicht es zum Beispiel, innerhalb des Lebenszyklus einer Maschine auf eine leistungsfähigere Plattform zu wechseln.

Extra Computer und PacTech haben im Rahmen ihrer langen Zusammenarbeit bereits mehrere solcher Umstellungen erfolgreich gemeistert – das heißt vor allem, ohne die Abläufe beim Kunden vor Ort zu beeinträchtigen. Aktuell läuft die Umstellung auf eine neue Boardgeneration mit leistungsfähigeren Intel-Core-i7-Prozessoren. „Mit der Menge der zu verarbeitenden Daten steigen auch im industriellen Umfeld die Anforderungen an die Leistung; darüber hinaus werden neben den komplexen Steuerungsaufgaben anspruchsvolle Visualisierungsaufgaben immer wichtiger, was eine höhere Grafikperformance erforderlich macht,“ so Plöger.

Um den sich verändernden Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig die Kompatibilität mit älteren Peripheriegeräten zu erhalten, müssen die 19-Zoll-Systeme ein gehöriges Maß an Flexibilität mitbringen. „Die hier eingesetzten Full-Size-ATX-Mainboards von Fujitsu mit ihren vielen Erweiterungsschnittstellen bieten eine gute Ausgangsbasis für die Anbindung an die Maschine und die Integration in das vorhandene Automationsumfeld“, erläutert Alexander Plöger. So hat Extra Computer zusätzlich zu den vorhandenen externen acht USB-Schnittstellen vier weitere nach außen geführt, eine zweite serielle Schnittstelle geschaffen, eine zusätzliche Karte für drei Firewire-Anschlüsse und eine Real-Tech-Netzwerkkarte eingebaut. Neben der onboard vorhandenen Grafikkarte war eine zusätzliche notwendig, weil ein Direktanschluss der Displays an der Maschine via VGA, DVI und HDMI ohne Adaptierung gewünscht war.

 

Support für Ausfallsicherheit im Dauerbetrieb

Langzeitverfügbarkeit ist nicht nur beim eingesetzten Board gefordert – die Geräte müssen generell wartungsfreundlich konzipiert und alle Bauteile über den gesamten Lebenszyklus der Maschine hinweg verfügbar sein, um den ausfallsicheren Dauerbetrieb zu gewährleisten. In all den Jahren sind laut Thomas Oppert von PacTech keine nennenswerten Probleme aufgetreten: „In der Hochvolumenproduktion, wo unsere Maschinen im Einsatz sind, würde ein Ausfall immense Kosten verursachen. Bei manchen Herstellern stehen 100 Maschinen von PacTech – keiner von ihnen kann es sich leisten, wochenlang auf ein Bauteil zu warten oder würde langwierige Umbauarbeiten in Kauf nehmen. Daher sind wir regelmäßig bei ihnen vor Ort und sorgen dafür, dass ein Kernsortiment an Ersatzteilen in ausreichender Menge am Lager ist und die Mitarbeiter über das nötige Know-how für die Wartung etc. verfügen.“

Um das zu ermöglichen, gehört es zum Service von Extra, bei jedem Auftrag alle Komponenten – für einen vorab definierten Zeitraum vorzuhalten – seien es Laufwerke, Lüfterbauteile, ältere Schnittstellenkarten, mit denen die bereits vorhandene Infrastruktur am Einsatzort angebunden wird, die frontseitigen Filter oder die wartungsfreundlichen Gehäuse. Die Teile werden dem Kunden erst bei Auslieferung berechnet. Auch hier zahlt es sich aus, dass das Unternehmen vorwiegend auf Produktion in Deutschland setzt: kurze Wege und der Wegfall von Sprachbarrieren ermöglichen kurze Entwicklungs- und Fertigungszeiten, eine unterbrechungsfreie Ersatzteilversorgung und einen schnellen Support. Auf Wunsch bietet Extra den sogenannten Cold-Swap-Service, in dessen Rahmen dem Kunden ohne Zusatzkosten komplette Einheiten vor Ort zur Verfügung stehen, sodass im Problemfall stets schnellstmöglich reagiert werden kann.

Bei PacTech weiß man die Expertise von Extra Computer zu schätzen: „Hersteller von 19-Zoll-Systemen gibt es viele, und hinsichtlich der Anschaffungskosten gehören die Geräte von Extra sicher nicht zum untersten Preissegment. Die IPCs von Extra sind jedoch ausgesprochen langlebig und robust und sorgen dafür, dass die Maschinen lange und stabil laufen – und genau das ist neben dem hervorragenden Service der ausschlaggebende Punkt für uns, denn unsere Maschinen sind zum Teil zehn Jahre und länger im Einsatz“, fasst Thomas Oppert zusammen. PacTech und Extra werden ihre Zusammenarbeit also auf jeden Fall fortsetzen. Der Trend zu kleineren Geräten macht im Übrigen auch vor den Fertigungsmaschinen selbst nicht halt: Weil Reinraumfläche teuer und das Raumangebot begrenzt ist, arbeitet PacTech aktuell daran, die Maschinen geringer zu dimensionieren und leichter zu machen.